Dienstag, 12. Januar 2016

Die uns die Hucke vollschwindeln

Lügenpresse und Staatsferne

Von Hanna Fleiss

12.01.2016:

Ich mag das Wort Lügenpresse nicht. Aber sie lügen, die bundesdeutschen Medien. Sie lügen, verschweigen, verdrehen, malträtieren die Wahrheit, bis sie zur glaubhaften Lüge wird. Sie hetzen – gegen Russland, den „Dämon Putin“, die „faulen Griechen“, den „Schlächter Assad“. Und verteilen Orden für bestes Lügen. Muss man noch fragen, ob sie das absichtlich tun oder ob ihnen die halben und ganzen Lügen in der Hektik des Tagesgeschäfts nur unbemerkt unterkommen? Viel zu viele Leute glauben das, noch sind sie der Illusion von der Objektivität der Berichterstattung des Fernsehens, des Radios und der gedruckten Presse erlegen. Andere glauben wieder was ganz anderes, man muss nur darauf kommen.

Dialektisch gebildete Mitmenschen wissen, dass es nicht viele Wahrheiten gibt, dass es nur eine einzige objektive Wahrheit gibt, unabhängig von unseren Ansichten und Meinungen. Die Crux ist nur, dass sie von Menschen verbreitet wird, und Menschen berufen sich auf ihre Meinungen und Ansichten unterschiedlichster Herkunft und Motivation. Und so sieht dann auch aus, was sie in bester Absicht zu einem Thema äußern.

Bundesdeutsche Medien sind in praxi Sprachrohre der bundesdeutschen Politik. Auch zum Beispiel der öffentlich-rechtliche Rundfunk incl. Fernsehen. Wir, die Bevölkerung, bezahlen mit der GEZ-Zwangsgebühr seine materielle Existenz, wir können uns dagegen verwahren, aber nicht wirksam wehren, wir Zahlemänner der Nation, und lassen gegen gutes Geld die Hucke vollschwindeln. Die Idee hinter dem unabhängigen, staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk war eine bürgerliche Schnapsidee. Nämlich die, dass es in einem Staatswesen so etwas wie eine staatsferne, neutrale und objektive Berichterstattung geben könne. 

Können Medien objektiv sein? Kann Politik objektiv sein? Können Medien, deren „Futter“ die Politik ist, unabhängig von ihr sein? Kann also jemand, der nach eigener Aussage nicht rechts und nicht links ist und auch nicht Querfrontler, die Medienpolitik der Bundesrepublik  besser, nämlich objektiv einschätzen? Ich behaupte: Nein, das kann er nicht, er befindet sich bei bestem Willen ungewollt im Schlepptau derjenigen, die uns, gegen die sich die Medien formiert haben, zu gebrauchsfertigen Idioten machen wollen. Und ich behaupte weiter, dass jemand, der glaubt, er könne sich von all der unschönen Politik fernhalten, wenn er gleichzeitig gegen die Medienpolitik anrennen will, inkompetent ist, ja der falsche Mann am falschen Platz.

Vor einiger Zeit ist der ZDF-Staatsvertrag endlich in Kraft getreten. Vorsitzender des ZDF-Fernsehrats ist Rupert Polenz, ehemaliger CDU-Generalsekretär, der sich als „Anwalt der Zuschauerinnen und Zuschauer“ geriert. Ähnlich sieht es beim MDR aus. Hier sitzt der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende des sächsischen Landtages Steffen Flath auf dem Thron des MDR-Rundfunkrates. Mal so gesagt: Wenn man darüber nachdenkt, kommt man auf die Idee, dass es mit der hochgelobten Staatsferne nicht weither sein kann. Dass also die Illusion, Medien könnten sich von der Politik abkoppeln, auch mit dem besten Rundfunkstaatsvertrag der Realität Hohn spricht. Und wem fällt es eigentlich auf, dass das gesamte linke Spektrum der bundesdeutschen Gesellschaft, das den Anspruch erheben müsste, bei der Programmgestaltung und politischen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender ein Wörtchen mitzureden, in den Fernsehräten überhaupt nicht vertreten ist? Alle sind sie da: die CDU, die SPD, die FDP, die Grünen, die Kirchen, die Lebensschützer und weiß der Teufel, wer noch. Sehr zurückhaltend könnte man also sagen, dass die bundesdeutsche Medienpolitik an gewissen „Mängeln“ und „Unterlassungssünden“ leidet, worunter, das geben viele gut meinende bürgerliche Journalisten ja zu, die angestrebte Staatsferne und Objektivität der Berichterstattung leidet. Jaja, in Bundesdeutschland kann man eben alles sagen, alles verschweigen und alles verdrehen und es als die am besten recherchierte Medienwahrheit verkaufen.

Aber das Maul aufreißen. Die neue erzkonservative polnische Regierung strukturiert die Medien des Landes nach ihren Vorstellungen um, bisher sind Tausende Medienmitarbeiter entlassen worden, weil sie den neuen Herrschaften nicht ins erzkonservative Programm passen. „Was zuviel ist, ist zuviel“, soll ein CDU-Mitglied des ZDF-Fernsehrats dazu in vertrautem Kreise geäußert haben. Ach ja. Und die Deutsch-EU überlegt, ob sie gegen Polen wegen seiner „ganz unmöglichen Medienpolitik“ Sanktionen erheben müsste oder könnte oder sollte oder was weiß ich.



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