Montag, 1. Februar 2016

Europas Zukunft auf dem Spiel

Entnommen: http://www.info-direkt.eu/dr-eva-maria-barki-die-krim-als-vorwand-fuer-den-subversiven-krieg-gegen-russland/   

Textauszüge:

Dr. Eva Maria Barki: Die Krim als Vorwand für den subversiven Krieg gegen Russland

22. Januar 2016

Rechtsanwältin Dr. Eva Maria Barki

Info-DIREKT veröffentlicht heute einen weiteren wichtigen theoretischen Beitrag der Wiener Rechtsanwältin Dr. Eva Maria Barki, der dem Leser das häufig missverstandene oder missinterpretierte völkerrechtliche Instrument des „Selbstbestimmungsrechts der Völker“ näherbringt und anhand höchst aktueller Beispiele veranschaulicht; dieses „Selbstbestimmungsrecht“ geht uns alle an, denn – siehe Schlussfolgerung des Aufsatzes – Europas Zukunft steht auf dem Spiel!

DIE KRIM ALS VORWAND FÜR DEN SUBVERSIVEN KRIEG GEGEN RUSSLAND
KOSOVO ALS PRÄZEDENZFALL

Eine politische und rechtliche Analyse zum Selbstbestimmungsrecht der Völker

Eva Maria Barki

Europa als geopolitisches Schachbrett im neuen Ost-West Konflikt

Es ist nicht das erste Mal, dass Papst Franziskus anlässlich der Anschläge in Paris von einem 3. Weltkrieg spricht, der sich in Etappen entwickelt und zunehmend immer größere Bereiche erfasst. Europa wurde zum Schachbrett der geopolitischen Interessen und läuft Gefahr zum Schlachtfeld zu werden. Die Migrationsflut und die daraus resultierenden Gefahren sind aber nicht die Ursache, sondern das Ergebnis einer Entwicklung, die sich bereits seit dem Ende des Kalten Krieges abzeichnet. Wer sind die Kriegführenden und was sind die Kriegsziele?

Die vergebene Chance des Jahres 1989

Europa hat 1989 eine Sternstunde seiner Geschichte erlebt, als die Montagsdemonstrationen in Leipzig mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ die Berliner Mauer zu Fall brachten und gegen alle Diplomatie der Welt die Wiedervereinigung Deutschlands erzwungen haben. Es war der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnaze, der die Bedeutung dieses Ereignisses erkannte und bei den 2+4 Verhandlungen in Bonn in Worte fasste: „Ein neues Zeitalter hat in Europa begonnen, das Zeitalter der Selbstbestimmung“.

Europa hat die Zeichen der Zeit jedoch nicht verstanden. Sowohl die baltischen Völker als auch die Völker Jugoslawiens mussten sich das Selbstbestimmungsrecht erkämpfen, vielen anderen ist es nach wie vor verwehrt. Die historische Chance zur Schaffung des gemeinsamen Hauses Europa, von dem man träumte, wurde versäumt. Dieses Haus steht nunmehr wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich in Trümmern. Eine der Ruinen ist die Ukraine, die zum Symbol falscher europäischer Politik geworden ist. Einer Politik, die Angst vor dem Selbstbestimmungsrecht hat und das Völkerrecht missachtet. Einer Politik, die jede Selbständigkeit aufgegeben hat und zum eigenen Nachteil, zum eigenen Schaden als treuer Vasall der Vereinigten Staaten ausschließlich deren Interessen verfolgt.

Der Anspruch der USA auf Erhalt der unipolaren Weltordnung und Eindämmung Russlands

Diese Interessen wurden von den USA nach dem Zerfall der Sowjetunion und Beendigung der bipolaren Machtverhältnisse auch nie verheimlicht, sondern klar definiert. Bereits 1991 beanspruchte Präsident Bush unter dem Namen einer „neuen Weltordnung“ das Machtmonopol der USA als einzige Supermacht. An Stelle einer Zusammenarbeit mit Russland, an Stelle einer gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur, die sich nach der Auflösung des Warschauer Paktes angeboten hätte, wurde Russland als Rivale und nicht als Partner angesehen. Den Identitätsfindungsprozess Russlands, seine Neuorientierung und die wirtschaftliche Kluft zum Westen ausnützend, haben die Vereinigten Staaten, von ihrer Macht und politischen Stärke berauscht, die NATO vereinbarungswidrig nach Osten erweitert und eine Politik der Einkreisung Russlands in die Wege geleitet. In der National Security Strategy 2002 finden sich die Grundzüge der auf der Wolfowitz Doktrin beruhenden postbipolaren Weltordnung, welche die bisherige internationale Ordnung in Frage gestellt hat. Im Einklang mit der neuen NATO Doktrin von einem Verteidigungsbündnis zu einem Angriffsbündnis unter Missachtung des seit dem Westfälischen Frieden geltenden Grundsatzes der staatlichen Souveränität, sowie des Grundsatzes des Selbstbestimmungsrechtes der Völker (Einsätze auch ohne UN-Mandat zur Durchsetzung von Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen) hatte sie den Erhalt und die schrankenlose Ausweitung der US-Hegemonie zum Inhalt. Demgemäß sollte „jede feindliche Macht daran gehindert werden, eine Region zu dominieren“. Als feindliche Macht gelten Russland und China. Ihre Eindämmung hat bis heute oberste Priorität. Und an diesem Ziel haben sich auch alle anderen Staaten zu orientieren.

(…)

Rechtmäßiger Ablauf des Referendums

Das Referendum auf der Krim ist ohne Zwischenfälle, ohne Gewalteinwirkung oder Beeinflussung abgelaufen und hat die erforderliche erhebliche Mehrheit für die Sezession ergeben, sodass kein Grund zu erkennen ist, das Ergebnis der Volksabstimmung nicht anzuerkennen.

Die von einigen Kritikern aufgestellte Behauptung, die Bevölkerung der Krim erfülle nicht die Definition eines Volkes, ist so absurd, dass hierauf nicht im Einzelnen eingegangen werden muss. Alle Kriterien eines Volkes: gemeinsames, abgegrenztes Territorium, gemeinsame Geschichte, kulturelle Entwicklung, Homogenität im Anspruch auf zumindest autonome Selbstverwaltung, sowie als wichtigstes Merkmal die Selbstdefinition sind gegeben.

Selbst wenn es die vom Westen behauptete Unterstützung des Referendums durch Russland gegeben hat, so war dies zum Schutz vor Beeinflussung und Gewaltanwendung durch die Zentralgewalt der Ukraine im Hinblick auf die Gewaltmaßnahmen in Kiew gerechtfertigt und war Russland hiezu nicht nur berechtigt, sondern völkerrechtlich sogar verpflichtet.

(…)

Präzedenzwirkung Kosovo

Da sich das Parlament der Krim bei seiner Beschlussfassung über die Unabhängigkeit ausdrücklich auf den Präzedenzfall Kosovo berufen hat und andererseits auch die Kritiker sich auf Kosovo zum Beweis des Gegenteils berufen, darf der Fall Kosovo nicht unbeachtet bleiben, zumal auch weil ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofes vorliegt. Aber auch deshalb, weil nichts besser die rein geopolitischen Motive der Vereinigten Staaten beleuchtet als der Vergleich Kosovo – Krim.
Um es vorweg zu nehmen: Die Loslösung des Kosovo von Serbien entsprach zweifellos dem Willen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, da der autonome Status unter Präsident Milosevic aufgehoben worden war (gleichzeitig auch die Autonomie der Vojvodina) und die Rechte im Kosovo (genauso wie in der Vojvodina) drastisch eingeschränkt wurden.

Trotzdem war die rasche Anerkennung des Kosovo bemerkenswert.
Ein kurzer Rückblick auf die Ereignisse in Jugoslawien zur Zeit der Unabhängigkeitsbestrebungen und insbesondere ein Vergleich mit Kroatien ist für das Verständnis notwendig.

Gegen das nach Unabhängigkeit strebende Kroatien wurde von der Belgrader Regierung die noch verbliebene Jugoslawischen Volksarmee eingesetzt, die gemeinsam mit paramilitärischen serbischen Einheiten intensive Aggressionshandlungen unter Einsatz von Artillerie, schweren Waffen, Bomben und Minen setzten und ganze Dörfer zerstörten und ethnisch säuberten. Vukovar wurde mit Panzern und schwerer Artillerie eingenommen, historische Städte wie Dubrovnik wurden angegriffen, 20.000 Zivilisten wurden getötet, 170.000 Kroaten wurden vertrieben.
Trotz dieser schweren Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind die Vereinigten Staaten für ein ungeteiltes Jugoslawien eingetreten (James Baker in Belgrad), ebenso die Europäische Union. Den Kroaten sollte das Selbstbestimmungsrecht verweigert werden. Die NATO sah keinen Grund zum Eingreifen. (Carl Bildt rückblickend: „The European Union lacked the ability to act, and NATO did not have the ambition to become involved.“)

Die Anerkennung der Unabhängigkeit Kroatiens erfolgte schließlich auf Drängen Deutschlands und Österreichs. Die Vereinigten Staaten haben Kroatien erst ein Jahr später anerkannt!

Ganz anders die Situation im Kosovo, das im geopolitischen Interesse der Vereinigten Staaten stand. Die separatistischen Bestrebungen der Kosovo Albaner und die paramilitärische UCK wurden von Anfang an unterstützt. In den Friedensverhandlungen von Rambouillet wurde der serbischen Seite am 17.3.1999 ein Ultimatum zur Annahme des von der NATO vorbereiteten Friedensvertrages gesetzt, in welchem die bis dahin geheim gehaltenen Bedingungen, nämlich freie Beweglichkeit der NATO in ganz Jugoslawien (!) und Nutzung aller Einrichtungen sowie Immunität aller NATO Angehörigen akzeptiert werden sollten.

Wiewohl das serbische Parlament in seiner Resolution vom 23.3.1999 eine weitgehende Autonomie für Kosovo in Aussicht stellte und die OSZE um Hilfe bat, hat die NATO bereits einen Tag später, am 24.3.1999 mit der Bombardierung Jugoslawiens begonnen. Als Begründung wurde ein humanitärer Einsatz zur Verhinderung eines Völkermordes genannt.
Der ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates geführte Krieg gegen Jugoslawien war völkerrechtswidrig. Das Ergebnis waren 6.800 Tote – darunter 1.800 Zivilisten, 1 Million Vertriebene und namhafte Zerstörungen, insbesondere der Infrastruktur und Industriebetriebe.
Unmittelbar nach der Bombardierung wurde von den USA ein 386 ha großes Areal beschlagnahmt und die Militärbasis Camp Bondsteel, die größte US Militärbasis im Ausland, errichtet. Eine Militärbasis, die für die Kontrolle des Balkans, aber auch des Nahen und Mittleren Ostens von großer strategischer Bedeutung ist.

In der Folge wurde mit Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates vom 10.6.1999, in der die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugoslawien betont wird, die Grundlage für eine Übergangsverwaltung durch die Vereinten Nationengeschaffen.

Neun Jahre nach Beendigung des Krieges verkündete das Parlament in Pristina am Sonntag, den 17.2.2008: „Wir erklären, dass Kosovo ein unabhängiger, souveräner und demokratischer Staat ist.“ Die Erklärung wurde keiner Volksabstimmung unterzogen (wie auf der Krim).
Die Vereinigten Staaten haben bereits einen Tag später(!), am 18.2.2008 die Unabhängigkeit anerkannt und gratulierten zu dem „historischen Ereignis“.

Gutachten des Internationalen Gerichtshofes:

Der Internationale Gerichtshof kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass Unabhängigkeitserklärungen im Völkerrecht zulässig sind und die Erklärung des Parlaments weder die Verfassung noch die Resolution 1244 verletzt. Das Gericht betonte, dass der Grundsatz der Achtung der territorialen Integrität nur für Beziehungen zwischen den Staaten und nicht für Völker gilt. Auch die UN-Resolution 1244 habe nur die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verpflichtet, nicht jedoch das Volk des Kosovo. Die wesentliche Frage, ob die Erklärung des Parlamentes auch ohne Volksabstimmung dem Volk von Kosovo zuzurechnen ist, bejahte das Gericht, weil die Abgeordneten als Volksvertreter und damit nicht im Rahmen der UN-Resolution gehandelt haben.

Wiewohl das Gutachten des Internationalen Gerichtshofes rechtlich nicht bindend ist, kommt ihm doch Präzedenzwirkung zu. Insbesondere der Ausspruch, dass die Unabhängigkeitserklärung selbst einem UN-Beschluss nicht entgegensteht und die ausdrückliche Betonung der Gültigkeit der Erklärung auch ohne Referendum, das sonst immer gefordert wird, stellt eine erweiternde Auslegung des Selbstbestimmungsrechts und wesentliche Bekräftigung seiner Ausübung dar.

Schlussfolgerung

Kosovo ist in mehrfacher Hinsicht ein Meilenstein und Wendepunkt.
Ein Meilenstein, weil sich der Internationale Gerichtshof zum ersten Mal mit der Unabhängigkeitserklärung eines Volkes in Europa befasst und ihr Rechtsgültigkeit auch ohne Referendum zuerkannt hat, und zwar nicht nur gegen die Verfassungsordnung des bisherigen Staates, sondern sogar gegen die in einer UN-Resolution bekräftigte Unverletzlichkeit der Grenzen dieses Staates. Eine rechtlich gegenteilige Begründung erscheint nach diesem Gutachten ausgeschlossen.

Einen Wendepunkt stellt Kosovo dar, weil der seit dem Westfälischen Frieden im Westen unangefochtene Grundsatz der Achtung der staatlichen Souveränität keine Beachtung mehr findet. Die NATO wurde von einem Verteidigungsbündnis unter dem Vorwand der „responsibility to protect“ zu einem Bündnis zur Durchsetzung der Interessen der Vereinigten Staaten. Der völkerrechtswidrige Krieg gegen Belgrad war der Anfang, es folgten zahlreiche andere völkerrechtswidrige Kriege und Aggressionen der NATO bzw. unter der Verantwortung der Vereinigten Staaten.
Dort wo sich Staaten den Interessen der Vereinigten Staaten widersetzen, werden sie destabilisiert, auch mit völkerrechtswidrigen Mitteln. Dort wo es die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Staaten fördert, wie im Kosovo, wird das Völkerrecht benützt.
Die Gegenüberstellung Kosovo mit Kroatien und insbesondere der Krim zeigt deutlich, dass für die USA ausschließlich geopolitische Interessen maßgebend sind, und zwar die Erlangung der Vorherrschaft in Europa und in der Welt und die hierzu erforderliche Eindämmung Russlands. Macht geht vor Recht. Das Völkerrecht ist keine Kategorie mehr. Kissinger forderte bereits vor Jahren, das Völkerrecht müsse umgeschrieben werden, es habe keine Aktualität mehr und meinte damit offensichtlich, dass es dem Hegemonialanspruch der Vereinigten Staaten als alleinige Weltmacht im Wege steht.

Die Europäische Union degradiert sich zur willfährigen Marionette der Vereinigten Staaten und führt die Völker und Nationen in die Katastrophe. Die Konfrontation mit Russland ist nur ein Akt der Tragödie, die zum Untergang führen kann. Der zweite Akt ist die Wirtschaftskrise, Finanzkrise und Krise der gesamten europäischen Rechtsordnung, wozu noch die tödlichen Gefahr des TTIP kommt. Der dritte und selbstmörderische Akt ist die organisierte Massenüberflutung mit kulturfremden Migranten zur Schaffung einer homogenen, entnationalisierten Bevölkerung, die manipulierbar, leicht lenkbar und beherrschbar ist.

Europas Zukunft steht auf dem Spiel. Wir dürfen das Ende der europäischen Kultur und Geschichte nicht zulassen. Europa darf nicht weiter Schachbrett im Neuen Großen Spiel zwischen West und Ost sein. Es darf sich vom eurasischen Kontinent, insbesondere von Russland, das ein wichtiger Teil Europas ist, nicht abspalten lassen und die politischen und wirtschaftlichen Kräfte nicht zum eigenen Schaden gegeneinander ausspielen. Europa muss sich vom Machtmonopol der Vereinigten Staaten loslösen, seine eigene Identität wiederfinden und zu seinen Wurzeln und seiner Würde zurückkehren.

Europa muss zurückkehren zum Völkerrecht auf der Basis der Souveränität der Staaten und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker als unverzichtbare Grundvoraussetzung für Freiheit und Demokratie.


Widerspruch:

Chance für Europa? Sternstunde? Der Autorin darf hier ruhig widersprochen werden. Chance für wen? Unter der Überschrift "Die große Toröffnung" schrieb ich in diesem Blog an anderer Stelle u.a.:

Der neunte November. Maueröffnung. Hurra, hurra!! Nicht enden wollender Jubel. Auch nach 25 Jahren Leben in der BRD noch? Für wen? Jubeln solle man, das ist die Freude Jedermanns, vor allem aber derjenigen, die sich raubritterartig einstiges Volkseigentum unter den Nagel rissen. Die haben sogar Mehr-Wert-Grund zum großmäuligen Jubeln. So eine Toröffnung, so ein Einfallstor für´s Kapital. So eine gierige Wiederinbesitznahme von Land, Leuten und Betrieben, von Straßen und Eisenbahnnetzen. Deren Geheimcode: Nie wieder Enteignungen. Nie wieder links. Nie wieder Sozialismus. Der Antikommunismus lässt grüßen. Freie Bahn für Investoren. Grünes Licht für neue Ausbeutung, freies Geleit für Emporkömmlinge, für Karrieristen und Halsabschneider.
(...)
H.P.

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