Mittwoch, 10. Januar 2018

Klassenkampf


Kleiner Aufruf zum Klassenkampf


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 10. JANUAR 2018


von Mathias Bröckers – https://kenfm.de

Wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit für unsere Neujahrsansprache:

„Wenn ich alle unsere Staaten, die heute irgendwo in Blüte stehen, im Geiste betrachte, und darüber nachsinne, so stoße ich auf nichts anderes, so wahr mir Gott helfe, als auf eine Art Verschwörung der Reichen, die den Namen und Rechtstitel des Staates missbrauchen, um für ihren eigenen Vorteil zu sorgen. Sie sinnen und hecken sich alle möglichen Methoden und Kunstgriffe aus, zunächst um ihren Besitz, den sie mit verwerflichen Mitteln zusammengerafft haben, ohne Verlustgefahr festzuhalten, sodann um die Mühe und Arbeit der Armen so billig als möglich sich zu erkaufen und zu missbrauchen. Haben die Reichen erst einmal im Namen des Staates, das heißt also auch der Armen, den Beschluss gefasst, ihre Machenschaften durchzuführen, so erhalten diese sogleich Gesetzeskraft.

Indessen … scheint es mir – um offen zu sagen, was ich denke – in der Tat so, dass es überall da, wo es Privateigentum gibt, wo alle alles nach dem Wert des Geldes messen, kaum jemals möglich sein wird, gerechte oder erfolgreiche Politik zu treiben, es sei denn, man wäre der Ansicht, dass es dort gerecht zugehe, wo immer das Beste den Schlechtesten zufällt, oder glücklich, wo alles an ganz wenige verteilt wird …“.

Unsere „Ansprache“ stammt aus dem Jahr 1516 und wurde von dem Anwalt und Politiker Thomas Morus in seinem Werk „Utopia“ veröffentlicht. Es beschreibt die Zustände in einem idealen Gemeinwesen, das auf der fiktiven Insel „Utopia“ angesiedelt ist –  sowie die realen Zustände im Europa des frühen 16. Jahrhunderts. Diese waren von den heutigen Zuständen ganz offensichtlich nicht sehr weit entfernt. „Es herrscht Klassenkampf, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen“ – so hat der Milliardär Warren Buffett die Lage im 21. Jahrhundert auf den Punkt gebracht. Und was tut die Politik ? Sie sorgt, im Namen des Staats dafür, dass die Klassenkämpfer ihre Machenschaften weiter führen können.

Da lässt es dann schon aufhorchen, wenn ein führender Politiker in einem Artikel einen Umsturz, genauer eine „konservative Revolution“ fordert. Will hier einer wirklich zu den Erkenntnissen und Werten zurück, die der Humanist Thomas Morus schon 1516 einforderte und die seit Jahrhunderten währende Umverteilung von unten nach oben beenden ?

Natürlich nicht, denn bei unserem neuen Revolutionsführer handelt es sich um den ehemaligen Verkehrsminister Dobrindt von der CSU und der Umsturz, den er fordert, richtet sich gegen einen Pappkameraden: die „linken Meinungsdiktatoren“ , die „selbst ernannten Volkserzieher und lautstarken Sprachrohre einer linken Minderheit“ in den „Schlüsselpositionen“, denen man 50 Jahre nach 68 jetzt endlich den Garaus machen müsse.

„Linke Ideologien, sozialdemokratischer Etatismus und grüner Verbotismus hatten ihre Zeit“, behauptet Dobrindt – und ehe man sich fragt wann diese Zeit war: in den 16 Jahren „geistig-moralischer Wende“ unter Kohl, den Jahren unter Schröder als Abrissbirne der Sozialdemokratie oder den 12 Jahren unter Merkel ?? –  fordert Dobrindt schon, dieser „linken Revolution der Eliten“ nun „eine konservative Revolution der Bürger“ folgen zu lassen.

Dass die „Schlüsselpositionen“- Vorstände von Banken, DAX-Konzernen und Wall Street-Hedgefonds – von Linksrevolutionären besetzt wären, ist bis dato allerdings nicht aufgefallen, auch wurde weder bei Warren Buffett noch bei einem seiner Kollegen aus der Milliardärs-Elite ein kommunistisches Parteibuch entdeckt. Gegen wen sollen denn nun die „Bürger“ konservativ revoltieren? Wen hat der große Vorsitzende des revolutionären Zentralkomitees der Konservativen, der Verkehrsminister ohne TÜV, als Großfeind ausgemacht ?

Die 68er, die mittlerweile über 70 sind! Wenn sie nicht- wie einer ihrer Anführer, Rudi Dutschke- an den Folgen eines Attentats gestorben sind, zu dem lautstarke Sprachrohre einer rechten Minderheit, allen voran die „Bild“-Zeitung, nach Kräften gehetzt hatten.

Dutschke war einer der letzten, der das Wort „Klassenkampf“ nicht nur in den Mund nahm, sondern es auch ernst damit meinte – so wie Warren Buffett es ernst meint, wenn er sagt, dass seine Klasse, die Reichen, diesen Kampf führt und ihn gewinnen wird. Solange ihm von unten nichts entgegen gesetzt wird.

Solange sich die Mehrheit der Bürger von der winzigen Elite einer Minderheit einlullen lässt.

Und solange diese Bürger – ob konservativ oder progressiv – nicht checken, dass die Konflikte zwischen Inländern und Ausländern, Männern und Frauen, Heteros und Homos, Christen und Moslems, und so weiter… nichts anderes sind als Scheingefechte auf Nebenkriegsschauplätzen, die nur ablenken und nichts ändern an dem grundlegenden Krieg, den 1% von oben gegen 99% von unten führen. Seit 1516.

https://kenfm.de/tagesdosis-9-1-2018-kleiner-aufruf-zum-klassenkampf%E2%80%A8/



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen